Von guten Vorsätzen und unglücklichen Gästen
Fragte man mich früher nach meinen Vorsätzen für ein neues Jahr, hatte ich stets nur ein müdes Lächeln übrig, weil ich der Überzeugung war, dass man sich nicht Vorsätzen verpflichten sollte, sondern einfach tun soll, was zu tun ist. Bei mir privat ist das immer noch so, aber in Bezug auf das Heimeli verhält sich das mit meiner Einstellung guten Vorsätzen gegenüber ein bisschen anders. Wir haben unsere Unternehmensphilosophie – eines Tages werde ich sicher auch darüber mehr schreiben – aber eben, heute geht es um Vorsätze. Und diese Vorsätze haben mit unserer Unternehmensphilosophie zu tun. Ein Punkt aus der Heimeli-Unternehmensphilosophie ist nämlich, das Heimeli so zu führen, dass unsere Gäste eine glückliche Zeit bei uns verbringen können. Mit meiner persönlichen Einstellung zu Vorsätzen «tun was zu tun ist» komme ich im Heimeli bezüglich dieses Punktes nicht gerade weit. Denn damit sich Gäste wirklich wohl fühlen, sollte es für jeden Gast ausreichend Platz haben. Für jeden Gast möchten wir uns ausreichend Zeit nehmen und jedem Gast das Beste, nämlich ein unvergleichlich schönes Heimelierlebnis bieten. Aber ist das überhaupt möglich?
Ein kleiner Abstecher in den Heimelialltag sagt uns mehr darüber:
«Es tut uns leid, wir haben keine freien Plätze mehr... haben Sie reserviert? Nein? Sorry, alle unsere Tische sind besetzt.»
«Können wir uns nicht an diesen Tisch zu den anderen Gästen dazusetzen? Wir brauchen nicht viel Platz...»
Hm... und welchen Gast sollen wir nun verärgern? Den der zuerst da war oder reserviert hat, indem wir weitere Gäste an seinen Tisch setzen oder den, der darum bittet, doch noch ein Plätzchen zu bekommen? Klar, es gibt auch die Gäste die spontan zur Seite rücken und den wartenden Gästen Platz anbieten, weil sie es interessant finden, neue Menschen kennen zu lernen. Doch Gäste über die Platzkapazität hinaus aufzunehmen, bedeutet automatisch längere Wartezeiten für andere Gäste. Denn mehr Gäste, mehr Bestellungen, mehr Bestellungen mehr Arbeit für Küche und Service und somit längere Wartezeiten. Nein das wollen wir nicht.
Vor mir steht ein kleiner Junge – rote Wangen, über kalte Hände klagend, ziemlich durchgefroren. Seine noch kleinere Schwester auf dem Arm der Mutter weint. Auch ihr ist offensichtlich kalt. «Sorry, wir haben keinen Platz für Sie...» Nein, das kann es doch wirklich nicht sein. Es ist eine Zumutung für unser Personal, einen solchen Satz aussprechen zu müssen. Viel besser würde sich doch anhören: «Es tut uns wirklich leid, alle unsere Tische sind belegt. Aber unter dem Haus steht auf einem kleinen Tisch heisser Tee. Ich gebe Ihnen Becher mit, bitte bedienen sie sich selber. Und lassen sie Ihre Kinder wenigstens am warmen Becher die kleinen Hände wärmen.
Würde dieser Vorsatz uns dem Ziel, jedem Gast zu einem schönen Heimelierlebnis zu verhelfen, wirklich einen Schritt näherbringen?
Mir fällt mein letzter guter Vorsatz für das Heimeli wieder ein. Eiskerzenschalen wollte ich «basteln» um einen Weihnachtszauber an jeder Ecke des Heimeli aufleuchten zu lassen. Sie sollten die Kinder in Staunen versetzen; «schau Mama, wie schön...» wollte ich die Kinder, sagen hören, «und wie das glitzert…»
Und was ist daraus geworden? Die erste Schale habe ich zerbrochen, als ich sie aus dem Kübel heben wollte. Mit der zweiten Schale bin ich auf dem Schnee ausgerutscht, sie zerbrach ebenfalls. Die dritte Schale na ja, so halbbatzig konnte ich sie wenigstens auf den Brunnensockel hieven, aber sie war schief und entsprach auch nicht meinen Vorstellungen.
Doch die vierte, also wenigstens eine meiner Eisschalen war aber doch ziemlich hübsch. Damit nicht noch einmal ein Unglück passiert, habe ich sie auf einen Terrassentisch «gestürzt» um sie aus dem Kübel zu nehmen. Sie war noch nicht ganz durchgefroren, daher ergoss sich auch noch ein Schwall Wasser über den Tisch. Aber sie war schön. Als ich sie dann an den richtigen Platz stellen wollte, war sie bereist (durch das restliche Wasser, welches sich rasch in Eis verwandelte) am Tisch festgefroren. Mit Gewalt entfernen erachtete ich als eine schlechte Option – wer weiss, ob sie dann nicht auch noch zerbricht. Also liess ich sie stehen. Und dort steht sie noch heute. Auf einem Tisch auf unserer Terrasse, direkt vor dem Plätzchen an dem sich unser Team ab und zu eine kurze Verschnaufpause gönnt. Und mir wird plötzlich klar: so misslungen ist mein Projekt gar nicht, denn wer hat es mehr verdient als unser wertvolles Personal, in den Pausen ab und zu ein bisschen Lichtzauber zu tanken.
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