Zeitrechnungen und Heimeli Geschichtsunterricht
Gleich dreimal haben uns in den vergangenen Wochen Gäste besucht, welche aus längst vergangener Heimeli-Zeit zu berichten wussten. Ein Gast erwähnte, dass er hier vor 50 Jahren Kühe gehütet hat, und dass eigentlich noch vieles genauso aussieht wie früher, einfach mit moderner Küche. Ein weiterer Gast erzählte, er sei seit den 60 er Jahren immer wieder hier gewesen – und es sei ja der Wahnsinn, was sich alles verändert hätte, aber es freue ihn, dass der ursprüngliche Kern erhalten geblieben sei. Er berichtete davon, dass es früher hier frei herumspazierende Hausschweine gab; - wobei ich selber weiss, dass die Zeit des Hausschweins gar nicht so weit zurückliegt, denn wieder andere Gäste schwärmen noch heute vom langhaarigen, barfüssigen Bruno, der ebenfalls ein Hausschwein hatte und offensichtlich an Beliebtheit kaum zu übertreffen war, und das sind noch keine fünfzig Jahre her. Wie dem auch sei, ich bin immer ganz Ohr, wenn Gäste aus längst vergangenen Tagen erzählen. Erwähnt jemand einen Heimelibesuch von vor 50 Jahren, ist mein erster Gedanke, das ist ja eine Ewigkeit her; bis mir bewusst wird, dass das ja in den 70er Jahren war, also eigentlich bereits zu meiner Zeit, und für mich sind die 70-iger Jahre als wären sie gestern gewesen. In Wirklichkeit bedeuten die 70iger Jahre aber gleichzeitig Halbzeit der Gasthausära «Heimeli». Und wer ein bisschen rechnen kann, weiss – die ersten 50 Jahre von insgesamt 100 Jahren, wären eigentlich genau gleich lang wie die zweiten 50 Jahre. Aber die Gäste, welche aus den ersten 50 Jahren zu berichten wissen, werden immer seltener, und so schrumpft die Geschichte der Anfangsjahre des Heimelis irgendwie immer mehr zusammen. Weil ich aus Erfahrung weiss, wie schnell es passiert, dass so einiges vergessen geht, habe ich an Hand von Informationen, welche ich von ehemaligen Gästen, Heimeli-Mitarbeitern und Einheimischen erhalten habe, ein paar wichtige Punkte zusammengefasst. Wie viel mehr es aus den ersten 50 Heimeli-Jahren zu erzählen gäbe, wäre es dann nicht vergessen gegangen, daran mag ich gar nicht denken.
Doch nun genug der Einleitung – hier also ein paar Fakten aus den Anfangszeiten der Heimeligeschichte (selbstverständlich ohne Gewähr):
Erbaut wurde das Heimeli, in dessen Anfangszeit primär Landwirtschaft betrieben wurde, an der Säumerstrecke zwischen dem Schanfigg und Davos, bereits 1707. Man geht davon aus, dass, bereits bevor das Heimeli ein offizielles Gasthaus war, hier eingekehrt wurde, zumal es das letzte bewohnte Gebäude diesseits vom Strelapass war / ist. Die Erfolgsgeschichte des heutigen Heimeli geht zurück auf die 1920er Jahre. Damals kam Agnes Reich als junges Mädchen ins Heimeli, um sich von ihrer Tuberkulose zu erholen. Sie hat sich in dieses Paradies und ihren damaligen Gastgeber, Jakob Engel, welchen sie später heiratete, verliebt und ist bis in die 5o-er Jahre hier oben geblieben. Zusammen mit Jakob begann Agnes, Schritt für Schritt, wann immer das Geld reichte, das kleine Häuschen in ein richtiges Gasthaus umzuwandeln.
- Der erste uns bekannte Heimelibesitzer war Jakob Engel, er war „a gno“ und somit kein leibliches Kind der Engels
- Seine Pflegemutter habe damals das Mehl in 50 Kg Säcken von Davos über den Strelapass getragen – unvorstellbar...
- Pistenfahrzeuge gab früher keine, bei viel Schnee, so auch im Lawinenwinter 51, bahnten Kühe / Rinder, den Weg
- Für Warentransporte benutzte man Ross und Wagen / Schlitten
- Butter wurde selbstverständlich aus der eigenen Milch hergestellt
- Vom Hausschwein wurde alles verwendet: Z.B. Braten und Voressen in Büchsen (vor Ort wurde Fleisch in Dosen haltbar gemacht „indosa“), es gab eigene Würste. Speck und Schinken wurden luftgetrocknet
- Kräuter und Salate, manchmal sogar Randen und Bohnen, wurden im eigenen Garten angepflanzt. Gemüse kam per Post und wurde von Jakob Engel mit Ross und Wagen, im Winter mit dem Schlitten, in Langwies geholt
- Spezialitäten des Hauses waren: Türggaribel mit Alpkäse, Öpfelchüachli, luftgetrocknetes Fleisch mit hausgemachtem Brot, eigene Kuchen, Guetzli und Wähen (Teig mit ausgelassenem Schweinefett), hausgemachte Konfi etc.
- Preise im Heimeli 1949: Vollpension im Zimmer CHF 12.- im Matratzenlager CHF 8.- Ovomaltine 70 Rappen (an einem schönen Sonntag wurden bis zu 200 Ovis verkauft)
- Die stärksten Wochenenden waren stets über Ostern, bis zu 45 Übernachtungsgäste. Waren die Zimmer voll, wurde auf Strohsäcken (auch in den Gängen) und überall wo es Platz hatte, geschlafen
- Die erste Heimeli-Telefonnummer war 907
- Dank einem kleinen Stromaggregat im Heimeli, hatte man bereits in den 40er Jahren Strom – für Licht, Radio, wenig warmes Wasser und zum Wäschebügeln
- Hauptstübli war die heutige Chüpfenstube, die Nebenstube war die Schlafkammer der Engels, das Strelastübli gab es seit dem grossen Umbau 1941, bei dem das Heimeli um einen Stock erweitert wurde.
In ca. zwei Wochen lassen wir dann Agnes Engel, die erste Heimeli-Wirtin zu Wort kommen.
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